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{Diehl Combitronic} Ein neues technisches Wunderwerk erreichte mich: eine Diehl Combitronic von 1971 mit Diehl Dilector Lochstreifenleser. Herzlichen Dank an Miro, der mir dieses Gerät hat zukommen lassen! Und was diese Maschine mit dem Manhattan-Projekt zu tun hat, werden wir weiter unten erfahren! Von Außen fast unscheinbar lässt doch der Streifenleser erahnen, dass hier mehr Technik im Spiel ist, als man auf den ersten Blick erkennt... Der Dilector ermöglicht es, die Combitronic mit zusätzlichen Programmen zu füttern. Diese Maschine ist nämlich eigentlich ein vollständiger frei programmierbarer Computer! Der Leser funktioniert mit Kontaktbüscheln... Warum für 8 Bit gerade 14 Büschelpaare notwendig sind, habe ich noch nicht ganz begriffen... Die Lochstreifencassette besitzt einen lustigen Abrollknubbel: So sieht das dann prinzipiell mit Lochstreifen aus: Die Maschine funktioniert nicht, das ist klar - mal sehen, ob sie wiederhergestellt werden kann... Übersichtliche Bedienelemente - Rechenfunktionstasten und Programmiertasten sind klar voneinander getrennt. Die Lage des Dezimaltrenners ist einstellbar... ... und selbsterklärend. Die Maschine heißt "CombitronIC" im Gegensatz zur drei Jahre früher erschienenen "Combitron". Whrend die Combitron noch vollständig in DTL diskret aufgebaut war, besitzt die Combitronic mehrere integrierte Schaltkreise, die die ca. 125 Transistoren auf ihren Chips beinhalten. Ansonsten soll die Funktion unverändert sein Auch ein schöner Rücken kann entzücken... Hier schimmert der brachiale Motorkondensator durch. Die Mechanik ist (fast) für die Ewigkeit gebaut. Kommen wir zum ersten extrem interessanten Detail dieser Maschine. Die Diehl Combitron(ic) besitzt kein hartverdrahtetes Programm. Wo sollte das auch bei 125 Transistoren versteckt sein? Der 40m Laufzeitspeicher ist beim Einschalten leer und will gefüllt werden, erst dann ist der Klotz eine Tischrechenmaschine. Das "Betriebssystem" (eigentlich der Microcode) befindet sich auf einem Stahl-Lochstreifen, der beim Einschalten der Maschine in den Laufzeitspeicher hineinkopiert wird! Das Typenschild: Warnung vor tödlichem Umbringen... Die Grundplatte ist massiver Alu-Guss. So steht sie vor mir, in ihrer brachialen Schönheit. Microelektronik mit solider Druckermechanik gemischt. Hier sieht man noch die Geschichte von Diehl aus der Zeit der mechanischen Rechenmaschinen. Hier sind die beiden Wickelrollen für das Bootprogramm - wie beim Tonband. Die Antriebsrolle (Kork? Gepresster Schafdung?) hat sich allerdings in klebrige Krümel verwandelt... Ebenso wie die Dezimalpunktverstellung. Eklig... Vielleicht kann man die Rolle durch Gummi ersetzen. Die Reste liegen wirklich überall... Das ist die Lichtschranke, die vom Lochstreifen Takt- und Datenspur liest. Nur als Randnotiz: die Länge des Zahnriemens für die Dezimalkommaverstellung beträgt 253mm. Und dann kam, was nicht hätte kommen sollen... Bei der weiteren Zerlegung der Combitronic wurde klar, das schon jemand den Laufzeitspeicher mit grober Gewalt herausmontiert hatte. Das ist das Ende. Ohne diesen Laufzeitspeicher ist die Maschine nicht restaurierbar - allenfalls ein schönes, totes Stück Technikgeschichte. An diesen Kabelenden endet auch unsere Geschichte. Oder etwa doch nicht? {Was haben das Manhattan Project und Diehl gemeinsam?} Ein wichtiger Ausflug am Rande muss aber auf jeden Fall sein: Basis der Diehl Combitron und Combitronic ist das Patent Nr. 3.404.377. Es beschreibt genau die Hardware, welche in den Rechenmaschinen eingesetzt wird. Und die ist in ihrer Simplizität wahrlich bemerkenswert. 125 Transistoren für einen vollständigen programmierbaren Computer... Das kommt mir doch bekannt vor... Die Logik ist minimal - die wichtigen Daten werden im Laufzeitspeicher mit minimalem Aufwand am Laufen gehalten, die Verarbeitung findet Bit-seriell statt. Klar, die LGP-30 war auch so ein Rechner! Nur wenige Röhren, dafür eine Magnettrommel als Speicher. Und der Erfinder dieses Wunderwerkes war - wie auch bei der Combitron - Stanley P. Frankel (1919 - 1978), eben jener Frankel, der sich als Post Doc bei J. Robert Oppenheimer im Manhattan Projekt in Los Alamos über die Größe und Unzuverlässigkeit der damaligen Rechenkolosse geärgert hat - und der letztendlich von SCM Marchant zu Diehl nach Deutschland wechselte, um diesen wirklich grandiosen Rechner zu entwickeln! Letztendlich wurde aus "smaller than a desk" doch noch ein richtiger Tischrechner. |
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